Paul Bahlmann

Politik. Treptow-Köpenick.

Wo direkte Demokratie lebt.

August 1, 2022

Kiezkassen: Wo direkte Demokratie lebt. Direkte Demokratie ist mehr als ein weiters Kreuz am Wahltag.

Die Schönheit demokratischer Prozesse zeigt sich immer dann, wenn man unverhofft eine Lösung findet. Im kommunalpolitischen Alltag ist das ganz oft eine Einigung zwischen Personen aus unterschiedlichen Richtungen des demokratischen Spektrums. Wen man es mal erlebt, ist es ein Moment freudiger Stärke. Das Gefühl durch die eigene Kreativität, Mut und – manchmal auch – Können etwas verändert zu haben. Selbst wenn es um kleine Kleinigkeiten, die man im demokratischen Engagement erreicht. Man erreicht sie. Zusammen bilden sie eine Kette von kleineren Erfolgen, die das Gefühl bestärken: Ich kann etwas verändern. Diese Erfolge werden oft in abendlichen Sitzungen oder spätabendlichen Telefonaten oder täglichen E-Mails erreicht.

Das Problem: Darum sind sie für eine große Zahl der Menschen nicht sichtbar und – was viel schlimmer ist – nicht erfahrbar. .

Zum Glück gibt es in Treptow-Köpenicker Kiezkassen. Sie öffnen eine Tür ins demokratische Engagement. Vom Alt-Treptow bis nach Müggelheim, in zwanzig Bezirksregionen gibt es je eine. Es stehen zwischen 2600 Euro und 10200 Euro zur Verfügung. Zwei Bezirksverordnete organisieren und moderieren die Sitzungen als „Kiezpat/innen“. Alle sind eingeladen und die Anwohner/innen entscheiden.

Es wird viel über direkte Demokratie gesprochen. Gemeint ist damit meist ein weiteres Kreuz am Wahltag, z. B. bei einem Volksentscheid. Die Kiezkassen sind die echte Form direkter Demokratie: Alle können sich beteiligen. Menschen müssen sich in die Augen schauen, miteinander streiten und sich einigen. Sie verändern praktisch ihren Kiez. Ganz direkt.

Als Bezirksverordneter und Kiezpate durfte ich in der letzten Legislatur beobachten, wie Nachbar/innen zusammenkommen. Wie sie diskutieren und gemeinsam – meist im Konsens – darüber entscheiden, welche Projekte wie gefördert werden sollten. Dabei müssen sie kreative Vorschläge machen. Sie müssen mutig vor Fremden dafür einsetzen und ihre Nachbar/innen dafür gewinnen.

Meist werden Projekte gefördert, die einen erheblichen Eigenanteil – manchmal in Geld, viel öfter aber in Aktivität– enthalten. So wird hoffentlich eine Kette gebildet, die unseren Bezirk spannender und seine Zivilgesellschaft stärker macht.

/pb

leicht gekürzt auch erschienen im Spreekurier im August 2022